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Zwanzig Tage vor der Bundestagswahl reden acht junge Menschen am liebsten über Sex. 

Doch dann fragt einer von ihnen: „Was sind sonst die Fragen unserer Zeit?“ Darauf folgt Stille. 

Sind die Fragen zu groß? Es ist angenehmer, Realitäten zu ignorieren und manchmal sogar überlebenswichtig. Oder sind die Visionen zu klein? Die Jungen kennen nichts außer Merkels „Weiter so“. Politik ohne Leidenschaft erscheint ihnen als Tugend. Oder interessiert es sie einfach null? Denn warum sollte man über Laschet reden, wenn man eben auch über Sex oder so reden kann. 

Oder liegt die Stille der Jungen daran, dass sie keine politische Relevanz haben? 

Die Median-Wähler:innen in Deutschland sind weit über 50 Jahre alt, die sagenumwobenen Boomer haben also alles in der Hand. Daraus könnte folgen, dass junge Menschen bei dieser Wahl passiv sind, weil sie bedeutungslos sind. „Ich schaue zu, wie es immer schlimmer wird und kann nichts tun,“ sagt einer der acht jungen Menschen, die eigentlich lieber sofort wieder über etwas anderes als die unausweichlich drohenden Zukunftsdystopien reden wollen. 

Teil dieser Dystopie ist es, dass junge Menschen es sich gemütlich gemacht haben. Denn ist es nicht vielmehr so, dass sie ignoriert werden, weil sie sich so gerne ignorieren lassen? Merkels stilles Vermächtnis, welches Scholz nun mit Vergnügen bespielt, ist es, dass die von jungen Menschen übernommene Passivität dazu führt, dass ihre Partei weiter regieren kann.

Auch wenn nur 13 Prozent der Wahlberechtigten unter 30 Jahre alt sind, sind dennoch alle Mittel da, sich trotzdem Relevanz zu verschaffen. Junge Menschen wissen in der Theorie wie das funktionert: Straßenproteste dominieren längst gesellschaftliche Debatten, in den Sozialen Medien werden Themen so manifestiert, dass niemand daran vorbeikommt. Junge Individuen diktierten in den vergangenen Jahren immer wieder auf Instagram den Diskurs. Protestforscher:innen haben herausgefunden, dass es nur vier Prozent der Bevölkerung auf der Straße braucht, um Veränderungen zu bewirken. Wenn die Möglichkeiten, sich auch außerhalb der Wahlkabine Sichtbarkeit zu verschaffen, so verfügbar sind, bleibt nur die Selbstverschuldung als Erklärung für junge Menschen, die von einem Wahlkampf ausgeschlossen sind, den sie anführen sollten. Aber wie im Gallien von Asterix gibt es natürlich auch den Widerstand. Die jungen Menschen wirken eigentlich gar nicht so unengagiert wie sie es wirklich sind, weil Luisa Neubauer und andere Aktivist:innen die allgemeine Lethargie kaschieren. Aber denjenigen, die sich unermüdlich für die Bekämpfung der Klimakrise einsetzen, kann unmöglich auch noch die Verantwortung für diese Wahl übertragen werden. 

Es geht jedoch nicht darum, dass junge Menschen sich hinter einer Partei oder einer bestimmten Lösung vereinen, denn das ist gar nicht so einfach. Sondern es geht darum, dass sie gemeinsam fordern, was allen im liberalen Denken zusteht: Eine Zukunft. 

Großes Problem: Der Status Quo hat einen riesigen Heimvorteil. Denn aus der Komplexität der Gegenwart ergibt sich, dass es keine Wahrheiten oder einfache Antworten gibt und deswegen bleibt man lieber bei dem, was war. Aber das ist falsch, denn Komplexität bedeutet eigentlich, dass um alle Lösungen gerungen werden muss. Weil das so schwer ist, kommt es wie in der Vergangenheit dazu, dass irgendwelche Wahrheiten manifestiert werden, weil Menschen müde sind. Viele dieser problematischen „Wahrheiten“ wurden zu Voreinstellungen des Gemeinsam-Seins.  Das Problem ist, dass es keine Mehrheiten für das Bessere gibt, solange die Voreinstellung von allem, was geglaubt wird, auf veralteten Wahrheiten beruht. Wie mächtig Voreinstellungen sind, zeigt sich auch darin, dass allseits bekannt ist, was passiert, wenn es jetzt keine Mehrheiten für eine Klimapolitik gibt, und genau diese dennoch nicht besteht. Es kommt jetzt darauf an, sich als junger Mensch einzumischen. Es gilt ausnahmsweise: Weniger Sex, mehr Politik, los geht’s.

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